Dienstag, 20. Januar 2009
Werner Herzogs 'Mein liebster Feind' (1999)
Klaus Kinski - Zwischen Genie und Wahnsinn
Klaus Kinski - Das Enfant terrible des Films
Quelle: ARD.de - 2006

Wahnsinnig, verrückt, genial, obsessiv, poetisch, prophetisch – mit kaum einem Etikett ist Klaus Kinski nicht belegt worden. Und genauso viele Versuche gab es, hinter die Fassade des begnadeten Schauspielers zu blicken. Doch bei Kinski war nichts Fassade. "Ich bin kein Schauspieler", sagte er immer wieder und wollte damit keineswegs bescheiden wirken. Vielmehr meinte er: "Ich spiele nicht, ich bin das".

Am 18. Oktober 1926 wird Klaus Kinski als Nikolaus Nakszynski in Zoppot im heutigen Polen geboren. Seine Kindheit ist durch Armut geprägt: Als jüngstes von vier Kindern eines unbekannten polnischen Opernsängers muss er sich schon während der Schulzeit seinen Lebensunterhalt selbst verdienen – als Schuhputzer, Laufbursche und Straßenfeger. 1930 war die Familie nach Berlin umgesiedelt, wo Kinski zunächst in ein Erziehungsheim muss. 1944 wird er als 17-Jähriger zur Wehrmacht eingezogen und gerät in niederländische Kriegsgefangenschaft. Hier macht er seine ersten Erfahrungen mit der Bühne: als Theaterdarsteller auf den provisorischen Lagerbühnen.

Nach dem Krieg beginnt für Klaus Kinski ein Bohemien-Leben: Er zieht durch Deutschland, spielt an einigen Theatern, bis ihn schließlich Borislaw Barlog 1946 zurück nach Berlin holt. Doch die Zusammenarbeit währt nicht lange: Während einer seiner legendären Ausbrüche wirft Kinski seinem Förderer die Fensterscheiben ein.

In der folgenden Zeit hangelt sich Kinski von Theater-Engagement zu Theater-Engagement, spricht in Hörspielen und beginnt mit seinen Rezitationen – die ihn schnell berühmt machen. Legendär sind seine leidenschaftlichen Vorträge der Werke Baudelaires, Nietzsches und Dostojewskis. Besonders die wilden Gedichte von François Villons begeistern ein immer größeres Publikum.

Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund,
ich schrie mir schon die Lungen wund
nach deinem weißen Leib, du Weib.
Im Klee, da hat der Mai ein Bett gemacht,
da blüht ein süßer Zeitvertreib
mit deinem Leib die lange Nacht.
Da will ich sein im tiefen Tal
dein Nachtgebet und auch dein Sterngemahl.

François Villon: "Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund" (von Kinski bearbeitete Fassung der freien deutschen Nachdichtung von Paul Zech)

Zehntausende Anhänger pilgern zu seinen Auftritten wie zu einem Popkonzert, hören seinen exaltierten Sprechstil und seine rüden Publikumsbeschimpfungen.

International bekannt wird Klaus Kinski schließlich durch seine Arbeit beim Film. Schon Ende der 40er Jahre war er immer wieder auf der Leinwand zu sehen gewesen, populär wird er aber durch seine Auftritte in unzähligen Edgar-Wallace-Filmen. Hier ist er auf die Rolle des wahnsinnigen Bösewichts festgelegt – ein Stempel, der ihn sein Leben lang begleiten soll. Kinski selbst findet die Streifen ebenso wie die meisten seiner über 160 Filme "zum Kotzen". Er provoziert mit der Aussage, dass ihn vor allem die Tagesgage interessiere und er das "Bestmögliche" aus jedem Film mache.

Eine Nebenrolle in dem Epos "Doktor Schiwago" (1965) verschafft ihm schließlich auch internationale Aufträge – vor allem in dem neu aufblühenden Genre des Italo-Westerns, wo er endlich auch Hauptrollen spielen darf. Legendär sind seine Auftritte in Sergio Leones "Für ein paar Dollar mehr" (1965) und Sergio Corbuccis "Leichen pflastern seinen Weg" (1968).

Seine Rollen in zahlreichen Agenten-, Western- oder Kriminalfilmen füllen zwar Klaus Kinskis Konto, künstlerisch bringen sie ihn aber nicht voran. Erst 1971 beginnt ein neues und folgenschweres Kapitel in seiner kreativen Biografie: die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Werner Herzog.

Zu diesem Zeitpunkt sind Kinskis Wutausbrüche schon eine Legende, befriedigen sie doch die voyeuristischen Bedürfnisse des Publikums. Und Kinski spielt damit, entwickelt sein ironisch-tiefgründiges Lächeln zu seinem Markenzeichen und wird zum geliebten und gefürchteten Enfant terrible der Filmindustrie.

Einzig und allein Herzog scheint in der Lage zu sein, den genialen Schauspieler bändigen zu können. In ihrem ersten gemeinsamen Werk, "Aguirre, der Zorn Gottes" (1972), spielt Kinski einen dem Wahnsinn verfallenen spanischen Conquistador. Kinskis Darbietung im zweiten Film "Nosferatu" (1979) gehört zu seinen besten schauspielerischen Leistungen: Zischelnd und schlängelnd flößt er dem Zuschauer Ekel ein und verleiht dem gefürchteten Vampir dennoch eine subtile Zartheit. Im folgenden Film "Woyzeck" (1979) nach dem Stück von Georg Büchner gibt Kinski den geplagten Titelhelden, in "Fitzcarraldo" (1982) den gleichnamigen tragikomischen Industriellen.

Was man den hervorragenden Ergebnissen dieser Zusammenarbeit nicht anmerkt, sind die gnadenlosen Wutausbrüche, mit denen Kinski während der Dreharbeiten seine Umwelt tyrannisiert. Niemand bleibt verschont, weder Kameramänner, noch Statisten, noch Herzog selbst. Das Verhalten des Exzentrikers war so schlimm, dass ein indianischer Häuptling Werner Herzog nach den Dreharbeiten zu "Fitzcarraldo" ernsthaft anbot, den Schauspieler zu töten. Herzog lehnte ab. Umgekehrt hinderte der Regisseur den Schauspieler einmal durch eine Morddrohung daran, die Arbeit abzubrechen: Kinski jammerte, brüllte mitten im Dschungel nach der Polizei und – blieb.

1987 kommt es zur letzten Zusammenarbeit von Herzog und Kinski: Doch während der Arbeit an "Cobra Verde" eskalieren die Spannungen, das erfolgreiche Duo infernale des Deutschen Films zerbricht. Kinski erfüllt sich nun einen lang gehegten Traum: Er beginnt die Arbeit an seinem Film "Kinski Paganini" (1989), für den er das Drehbuch schreibt, die Hauptrolle spielt und Regie führt. Es soll sein letztes größeres Projekt werden – Am 23. November 1991 stirbt er überraschend in Lagunita bei San Francisco, wohin er 1980 übergesiedelt war.

Mehr über Klaus Kinski auf www.deutsches-filmhaus.de




Klaus Kinski - Mein liebster Feind (1999)

1972 beginnt die Zusammenarbeit zwischen dem Autorenfilmer Werner Herzog und dem wohl exzentrischsten deutschen Schauspieler Klaus Kinski. Für die Rekonstruktion der Zusammenarbeit dieser beiden Ausnahmekünstler reist Werner Herzog zurück zu den abgelegenen Drehorten von damals (u.a. Peru) und lässt sowohl die Teams als auch die Indios zu Wort kommen. Aber Herzog zeigt auch seltenes Material das während den Dreharbeiten zu seinen Filmen entstanden ist. Hierzu zählen unter anderem Kinskis Wutausbrüche, die während den Drehpausen mitgeschnitten wurden. Diese Dokumentation ist sowohl ein Dokument des deutschen Autorenfilms als auch ein Portrait eines außergewöhnlichen Schauspielers.

Die Person Kinski und ihre Entwicklung ist eigentlich wahnsinnig spannend. Was Werner Herzog in seiner Pseudo-Dokumentation daraus macht, ist allerdings wenig überzeugend. Viel zu selbstverliebt stellt der Regisseur sich selbst in den Mittelpunkt, ohne sich wirklich dem Phänomen Kinski zu nähern. Da zeigt sich Herzog minutenlang schweigend im Profil vor dem peruanischen Dschungel, was aber weder Atmosphäre erzeugt noch eine Aussagekraft hat. Eine intensive Aufarbeitung des Lebens findet aber ebensowenig statt wie ein tiefgründigere Betrachtung des charismatischen Schauspieler. Herzog plaudert zusammenhanglos einige Anekdoten herunter, die sich allesamt auf seine eigenen Erfahrungen bei den gemeinsamen Filmen beziehen. Auch dabei verzichtet er völlig auf so etwas wie einen Spannungsbogen oder einen chronologischen Aufbau. Dynamik bekommen die Bilder tatsächlich nur, wenn die eigentliche Hauptperson Kinski selbst mit dokumentarischen Aufnahmen in den Mittelpunkt rückt. So gehört der Auftritt seines "Jesus Christus Erlöser" gleich am Anfang zu den spannendsten Szenen des gesamten Films. Dass genau dieser Auftritt am Ende erneut aufgegriffen wird, verdeutlicht irgendwo, dass in dem 90 Minuten nicht wirklich etwas bewegt wurde ausser ein Regisseur in Erinnerungen - und das auch noch ziemlich lustlos und unprofessionell vorgetragen.
Bewertung: 4/10


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