Samstag, 8. August 2009
Zum Tod des Regisseurs John Hughes
Ein Meister der Familienträume
Von Christian Heger - 07. August 2009

„Don't you forget about me“, sangen die Simple Minds 1985 in John Hughes' trendsetzendem Teenager-Film „The Breakfast Club - Der Frühstücksclub“. Nun ist der Mann, der in den achtziger Jahren fast im Alleingang das Genre des Jugendfilms revolutionierte, überraschend im Alter von nur 59 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben. Auch ihn wird man so schnell nicht vergessen: Längst gelten viele seiner Werke als Kult - und als nostalgisch umjubelte Zeitdokumente der achtziger und frühen neunziger Jahre. Hughes-Kino, das war von Anfang Familienkino - meist komisch, gelegentlich traurig, aber immer mit einem unglaublichen Gespür für die Wünsche und Sorgen des amerikanische Durchschnittsbürgers. Das kam nicht von ungefähr, entstammte Hughes doch selbst aus dieser suburbanen Lebenswelt aus weißen Palisadenzäunen, sorgsam gehegten Vorgärten und trügerischer Familienidylle, die seine Filme immer wieder so einnehmend wie ironisch beschworen.

Geboren 1950 in Michigan, verbrachte er seine Kindheit und Jugend im Städtchen Northbrook, Illinois, das nicht nur das atmosphärische Vorbild, sondern - unter dem Kunstnamen „Shermerville“ - auch oft die Drehortkulisse für viele seine Filme abgab. Nach einem kurzen Gastspiel als Werbetexter in Chicago heuerte er Ende der siebziger Jahre in Hollywood an, wo er sich als Gag-Schreiber für die legendäre Comedy-Show „National Lampoon's“ einen Namen machte. Aus diesem Engagement entstand 1983 der erste Erfolg - in Gestalt der Chaos-Familie Grisworld, der Hughes als Drehbuchschreiber gleich zu drei skurrilen Kino-Abenteuern verhalf. Der urlaubsgeplagte Familienvater Clark Grisworld wurde zur Paraderolle für Chevy Chase und die denkwürdige Weihnachtsepisode „Schöne Bescherung“ (1989) auch hierzulande schnell zum alljährlichen Bestandteil des vorweihnachtlichen Fernsehprogramms. Ebenso erging es kurz darauf dem kommerziellen Mega-Erfolg „Kevin allein zu Haus“ (1990), zu dem Hughes nach ähnlichem Grundmuster das Drehbuch schrieb und der aus dem zehnjährigen Macaulay Culkin über Nacht einen frenetisch umjubelten Kinderstar machte.

Massengeschmack mit Problembewusstsein

Spätestens zu diesem Zeitpunkt zeichnete sich ab, dass Hughes ein untrügliches Gespür für den Massengeschmack besaß - und das vielleicht aus dem ganz einfachen Grund, dass seine eigene Biographie mit ihm so herrlich konform ging. Ein bisschen wohlmeinender Optimismus war schließlich auch dabei: Die Familie, Inbegriff des bürgerlichen Wertekodex, war in seinen Filmen fast immer ein verlässlicher Fels im turbulenten Alltag - meist ein heimeliger Mikrokosmos, der genug Stoff für ein ganzes Leben (und unzählige schöne Kinostunden) bot.

John Hughes @ 'Ferris macht blau'

Doch Hughes war durchaus mehr als nur ein harmloser Klamaukschreiber mit sicherem Gespür für den Massengeschmack und mehr als nur Apologet eines biedermeierlichen Idylls. Das bestätigen besonders jene Handvoll Filme, die er Mitte der achtziger Jahre realisierte - oft als Regisseur, Autor, Produzent und Cameo-Darsteller in Personalunion. Fast allesamt sind es Filme für und über Jugendliche - Teenage Movies, wie sie außer dem introvertierten Mann aus Northbrook kaum ein anderer zu machen verstand. Da wäre zum Beispiel „The Breakfast Club“ (1985), das authentische, fast kammerspielartige Portrait von fünf Highschool-Schülern, die sich an einem Nachmittag zum gemeinsamen Nachsitzen in der Schulbibliothek einfinden. Dann „Das darf man nur als Erwachsener“ (1984), „L.I.S.A. - Der helle Wahnsinn“ (1985) oder „Ferris macht blau“ (1986), der Film, in dem Matthew Broderick als genialischer Schulschwänzer glänzt.

Abschied vom „Brat Pack“

In all diesen Filmen räumt Hughes ohne jeden inszenatorischen Firlefanz den Sorgen, Träumen und Erwartungen der jungen Generation breiten Raum ein, und verlässt sich dabei fast ausschließlich auf das authentische Spiel seiner jungen, rasch als „Brat Pack“ titulierten Darstellerriege. Immer geht es in seinen Teenager-Streifen um den Wunsch nach Ausbruch aus dem festen Korsett gesellschaftlicher Erwartungen - jener Erwartungen, die nicht nur von Lehrern und Eltern an die Jugendlichen herangetragen werden, sondern auch von ihren eigenen Altersgenossen: Dementsprechend gibt sich Molly Ringwald in „The Breakfast Club“ als verwöhnte Prinzessin, will es aber gar nicht sein, während „Schlaukopf“ Anthony Michel Head unter dem Druck überhöhter Selbstansprüche leidet. Am Ende gelingt beiden im gruppentherapeutischen Austausch zumindest das Verständnis ihrer eigenen Probleme - und damit ein erster Schritt zur Aufarbeitung.

Sehr zur Enttäuschung seiner zahllosen Fans und Hollywoods erfolgsversessener Studiochefs hat sich John Hughes in den frühen neunziger Jahren mehr und mehr aus dem Filmbusiness zurückgezogen. 1991 drehte er mit dem etwas zu süßlich-capraesken Sozialmärchen „Curley Sue“ seinen letzten Film als Regisseur, und lieferte anschließend noch die Drehbücher zu den Kino-Hits „Ein Hund namens Beethoven“ (1992), „Dennis“ (1993) und „Juniors freier Tag“ (1994) ab. Danach zog er sich fast vollständig aus dem Filmgeschäft zurück, um - wie die Helden seiner Filme - mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen.

Ein Ende mit Hughes-Zauber

Wer immer seinen Tod betrauert - und Grund dazu gibt es genug - der schaue sich einen der wohl schönsten Hughes-Filme an: „Ein Ticket für Zwei“ aus dem Jahr 1987. Steve Martin und John Candy spielen darin zwei ungleiche Reisegefährten, einen zynischen Werbetexter und einen korpulenten Vertreter für Duschvorhangringe (!). Nach einer irrwitzigen Odyssee, die zum Komischsten zählt, was das amerikanische Kino der letzten dreißig Jahre zu bieten hat, gelangen sie endlich zu Hause an. Die Straßen sind verschneit, es ist Thanksgiving Day, beide sind verfroren, schmutzig und vollkommen erschöpft. Doch dann geht die Tür auf, die Familie ist da - und John Hughes' Zauber beginnt zu wirken. Alles ist gut.
Quelle: www.faz.net

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