Dienstag, 15. Dezember 2009
Spiegel.de über "Vom Winde verweht"
Ein Filmklassiker wird heute 70!
Ein Filmklassiker wird heute 70!
crizcgn, 19:38h
Herzinfarkte, Heulattacken, Selbstmordgedanken
Vor 70 Jahren feierte das legendäre Südstaaten-Epos "Vom Winde verweht" Premiere. Die Schauspieler jubelten - weil der Dreh vorbei war. Produzent David O. Selznick hatte sie mit seinem Perfektionismus terrorisiert und Scarlett-O'Hara-Darstellerin Vivian Leigh in die Depressionen getrieben.
Die Dreharbeiten zu einem der großartigsten Kinoereignisse der Filmgeschichte begannen ohne Hauptdarstellerin - dafür mit einer brennenden King-Kong-Kulisse. Für seine opulente Südstaaten-Schmonzette "Vom Winde verweht" hatte Holywood-Produzent David O. Selznick am 10. Dezember 1938 alte King-Kong-Dekorationen übermalen, mit Öl präparieren und dann anzünden lassen. Weil die Geldgeber aufs Tempo drückten, hatte Selznick die Arbeit an seinem Mammutwerk einfach gestartet - ohne die weibliche Hauptrolle besetzt zu haben.
Der Witz: Ausgerechnet der Dreh für das dramatische Flammeninferno der Schlacht um Atlanta sollte ihm seine Traumbesetzung endlich zuführen. Zu dem Spektakel war auch Selznicks Bruder erschienen, in Begleitung einer jungen Dame aus England. "David", sagte der Schauspieleragent Myron Selznick, während drei Doubles von Scarlett O'Hara und Rhett Butler gerade auf Pferdekutschen durch die Flammen hasteten, "das ist Scarlett O'Hara."
Selznick warf einen Seitenblick auf die strahlende Schönheit an Myrons Seite - und die Newcomerin aus Great Britain war engagiert. Damit endete eine nationale Hysterie - inszeniert von dem größenwahnsinnigen Choleriker Selznick, der angetreten war, mit seinem Bürgerkriegsepos den größten aller Filme zu drehen -, welche "Vom Winde verweht" bereits vor Drehstart zu einzigartigem Ruhm verhalf.
Das erste Superstar-Casting der Filmgeschichte
Zwar hatte der Schwiegersohn von MGM-Boss Louis B. Mayer mit seiner kleinen Produktionsfirma "Selznick International" bislang noch nie Profit gemacht - aber jetzt sah er die Chance, sich endlich zu profilieren und seinem verhassten Schwiegervater sowie all den anderen Hollywood-Granden eins auszuwischen.
Mit "Vom Winde verweht" erschuf Selznick eine Tragödie in Technicolor - der das Drama hinter den Kulissen allerdings in nichts nachstand. Das grandiose, vier Millionen Dollar verschlingende Meisterwerk über Krieg, Frieden und die ganz große Leidenschaft geriet am Set zu einem gigantischen Kraftakt, der drei Regisseure und zehn Drehbuchautoren verschliss sowie reihenweise Heulattacken und Nervenzusammenbrüche heraufbeschwor.
Für 50.000 Dollar - noch nie hatte man in Hollywood so viel Geld für einen Erstlingsroman ausgegeben - erwarb der junge Unternehmer 1936 die Rechte an dem Überraschungsbestseller von Margaret Mitchell, über den alle anderen Produzenten verächtlich die Nase rümpften.
Die Warnung von MGM-Produktionschef Irving Thalberg vor dem sperrigen Thema war einfach zu präsent: "Noch nie hat ein Film über den Bürgerkrieg auch nur einen Nickel eingespielt", hatte dieser einst gesagt - folgerichtig lehnte MGM beim Mitchell-Stoff dankend ab, lieh aber immerhin Clark Gable als männliche Hauptrolle an Selznick aus. Auch Warner und RKO hatten abgewinkt - unter anderem, weil sie keine Schauspielerin für fähig hielten, die eigensinnige Scarlett zu mimen. Jenes grünäugige Biest, das viel zu spät erkennt, dass sie immer nur Rhett geliebt hat und auch noch zusehen muss, wie ihr geliebter Süden mit seinen Baumwollplantagen und Sklaven im amerikanischen Bürgerkrieg untergeht.
Möchtegern-Scarletts, zu allem bereit
Selznick machte aus der Not einfach eine Tugend: Er nutzte die Suche nach Scarlett zu einer gigantischen PR-Aktion für seinen Film. Nachdem er die Bürger zunächst aufgefordert hatte, per Postkarte Wunschkandidaten zu nennen, jagte der Produzent ab 1937 seine Talentsucher durchs Land. 18 Monate lang tingelten sie durch die Staaten, um Clark Gables Traumpartnerin zu casten, Tag für Tag drängten sich Pulks junger Mädchen auf dem sogenannten "Scarlett-Way" vor Selznicks Büro, zu allen Schandtaten bereit, nur um vorzusprechen.
Eines der Mädchen etwa ließ sich in einer Kiste mit der Aufschrift "Sofort öffnen!" anliefern, rezitierte einen Scarlett-Monolog und riss sich sofort die Kleider vom Leib. Eine andere sprang am Weihnachtstag 1937 im historischen Kostüm aus einer herangekarrten Geschenkbox mit gigantischer Schleife und trällerte "Fröhliche Weihnachten, Mr. Selznick. Ich bin Ihre Scarlett." 1400 Kameratests ließ Selznick durchführen, 92.000 Dollar gab er für sein Casting aus - und stieß mit seiner wählerischen Haltung die gesamte weibliche Schauspielerriege vor den Kopf. Bette Davis? Zu verbraucht. Norma Shearer? Zu alt. Katherine Hepburn? Zu spröde.
Als schließlich die Newcomerin Vivien Leigh die Hauptrolle ergatterte, tobte die schreibende Zunft: Ebenso gut hätte man den chinesischen Generalissimus Chiang Kai-shek verpflichten können, um die Südstaaten-Schönheit zu spielen, ätzte der "Movie Mirror". Was Vivien Leigh nicht davon abhielt, als feurige Scarlett zu brillieren - während ihr männlicher Konterpart während der gesamten Dreharbeiten schmollte. Denn Clark Gable hatte gar keine Lust auf die Rolle des unverschämt grinsenden Gentleman Rhett Butler.
Amphetamine, Erdnüsse und Bananen
"Ein zu großer Brocken" sei das, beschied der Schauspieler und lehnte ab - doch als Söldner von MGM hatte er gar kein Mitspracherecht: Für 7000 Dollar Wochengage lieh ihn seine Produktionsfirma an Selznick aus. Keine günstigen Startbedingungen, zumal Gable den schwulen, in Hollywood als hervorragenden "Frauen-Regisseur" gehandelten George Cukor abgrundtief verabscheute. Seine Rolle konnte Gable nicht mehr abschütteln, den Regisseur jedoch ekelte er vom Set: Schon nach zehn Drehtagen gab Cukor völlig entnervt auf, gerade einmal 23 Minuten hatte er zu dem Zeitpunkt im Kasten.
Auch sein Nachfolger, der aufbrausende Macho Viktor Fleming, hielt nicht lange durch: In der Mitte des Drehs erlitt er einen Nervenzusammenbruch, quälte sich der Strapazen am Set wegen mit Selbstmordgedanken und übergab kurzfristig an Behelfsregisseur Sam Woods. Und nicht einmal der Amphetamine, Bananen und Erdnüsse verschlingende Produzent selbst war immun gegen das menschliche Drama hinter den Kulissen: Nachdem Zweitregisseur Fleming das Drehbuch als "beschissenes Ding" geschmäht hatte, musste ein neues her - erarbeitet unter anderem von Selznick selbst, der nach 72 Stunden langem Feilen an einer neuen Version einen Herzinfarkt erlitt und von Ärzten reanimiert werden musste.
Als die des unmenschlichen Stresses wegen um Jahre gealterte Hauptdarstellerin Vivien Leigh schließlich gegen Ende der Dreharbeiten vor Erschöpfung zusammenbrach, schickte Selznick sie für ein Wochenende zu ihrem Geliebten Laurence Olivier, von wo sie rosig strahlend wieder ans Set zurückkehrte und die letzten Szenen abdrehen konnte.
Es wurde höchste Zeit, am Ende der Dreharbeiten lagen überall die Nerven blank. Die von der Ausbeutung am Set genervten Maskenbildner und andere Hilfskräfte in Selznicks Studio streikten kurz nach dem Abschluss, der völlig verschuldete, übernächtigte Produzent agierte am Rande des Wahnsinns.
Zumal er noch 5000 Dollar für das Wörtchen "damn" berappen musste: Mit den Worten "Frankly, my dear, I don't give a damn" ("Ehrlich gesagt, meine Liebe, ist es mir völlig gleichgültig") lässt Held Rhett seine Scarlett am Ende abblitzen - für die Kino-Zensoren stand "damn" jedoch als zu obszön auf dem Index. Da Selznick jedoch auf der unsterblichen Filmzeile bestand, musste er Strafe zahlen - dafür durfte "damn" drin bleiben.
Menschliches Drama hinter der Leinwandtragödie
Nach quälendem Schnitt-Marathon fand das menschliche Drama hinter der Leinwandtragödie endlich ein Ende. In zum Teil 50 Stunden langen Sitzungen brachen Cutter und Sekretärinnen reihenweise bei dem Versuch zusammen, die insgesamt 150 Kilometer Material zu sichten. Danach war "Vom Winde verweht" jedoch bereit für die Weltpremiere - und sollte sämtliche Rekorde brechen: Bis heute gilt der Streifen, der 1977 vom amerikanischen Filminstitut zum "besten Film aller Zeiten" gekürt wurde, als weltweit erfolgreichstes Kinoereignis - mit einer Einspielsumme von 2,7 Milliarden Dollar.
Um dem bombastischen Premierenereignis am 15. Dezember 1939 in Atlanta Rechnung zu tragen, ließ der Gouverneur von Georgia das Datum kurzerhand zum Feiertag zu erklären. Eine Million Menschen, unter ihnen uniformierte Bürgerkriegsveteranen und Damen in ausladenden Reifröcken, säumten an jenem Tag die Straßen der Südstaatenmetropole, um die defilierenden Filmstars zu begrüßen. Als Clark Gable, der seine Teilnahme an der Premiere bis zuletzt offen gelassen hatte, schließlich aus dem Flugzeug stieg, musste die Militärkapelle ihre Instrumente weglegen und der Staatspolizei von Georgia zur Hilfe eilen, um den Womanizer vor seinen hysterischen Fans zu schützen.
Champagnerkorken knallten, als die nach dem leidvollen Dreh-Marathon heillos verkrachte "Vom Winde verweht"-Crew an jenem Dezembertag vor 70 Jahren in Atlanta noch einmal zusammenkam, um ihren 224-Minüter hochleben zu lassen. Doch das kurze Premierenglück konnte den Fluch, der auf dem Film lag, nicht bannen: Hauptdarstellerin Vivien Leigh wurde depressiv, Autorin Margaret Mitchell, die nie wieder einen Roman schrieb, wurde 1949 von einem Auto überfahren - und Produzent David O. Selznick war durch den gigantischen Erfolg seines Geniestreichs so gehemmt, dass er das Filmemachen schließlich aufgab.
So galt das von Scarlett am Ende optimistisch hervorgestoßene "Morgen ist auch noch ein Tag!" in letzter Konsequenz allein für die MGM - als Verleiherin strich sie den Löwenanteil der gigantischen Einspielergebnisse ein.
Katja Iken / Quelle: www.spiegel.de
Vor 70 Jahren feierte das legendäre Südstaaten-Epos "Vom Winde verweht" Premiere. Die Schauspieler jubelten - weil der Dreh vorbei war. Produzent David O. Selznick hatte sie mit seinem Perfektionismus terrorisiert und Scarlett-O'Hara-Darstellerin Vivian Leigh in die Depressionen getrieben.
Die Dreharbeiten zu einem der großartigsten Kinoereignisse der Filmgeschichte begannen ohne Hauptdarstellerin - dafür mit einer brennenden King-Kong-Kulisse. Für seine opulente Südstaaten-Schmonzette "Vom Winde verweht" hatte Holywood-Produzent David O. Selznick am 10. Dezember 1938 alte King-Kong-Dekorationen übermalen, mit Öl präparieren und dann anzünden lassen. Weil die Geldgeber aufs Tempo drückten, hatte Selznick die Arbeit an seinem Mammutwerk einfach gestartet - ohne die weibliche Hauptrolle besetzt zu haben.
Der Witz: Ausgerechnet der Dreh für das dramatische Flammeninferno der Schlacht um Atlanta sollte ihm seine Traumbesetzung endlich zuführen. Zu dem Spektakel war auch Selznicks Bruder erschienen, in Begleitung einer jungen Dame aus England. "David", sagte der Schauspieleragent Myron Selznick, während drei Doubles von Scarlett O'Hara und Rhett Butler gerade auf Pferdekutschen durch die Flammen hasteten, "das ist Scarlett O'Hara."
Selznick warf einen Seitenblick auf die strahlende Schönheit an Myrons Seite - und die Newcomerin aus Great Britain war engagiert. Damit endete eine nationale Hysterie - inszeniert von dem größenwahnsinnigen Choleriker Selznick, der angetreten war, mit seinem Bürgerkriegsepos den größten aller Filme zu drehen -, welche "Vom Winde verweht" bereits vor Drehstart zu einzigartigem Ruhm verhalf.
Das erste Superstar-Casting der Filmgeschichte
Zwar hatte der Schwiegersohn von MGM-Boss Louis B. Mayer mit seiner kleinen Produktionsfirma "Selznick International" bislang noch nie Profit gemacht - aber jetzt sah er die Chance, sich endlich zu profilieren und seinem verhassten Schwiegervater sowie all den anderen Hollywood-Granden eins auszuwischen.
Mit "Vom Winde verweht" erschuf Selznick eine Tragödie in Technicolor - der das Drama hinter den Kulissen allerdings in nichts nachstand. Das grandiose, vier Millionen Dollar verschlingende Meisterwerk über Krieg, Frieden und die ganz große Leidenschaft geriet am Set zu einem gigantischen Kraftakt, der drei Regisseure und zehn Drehbuchautoren verschliss sowie reihenweise Heulattacken und Nervenzusammenbrüche heraufbeschwor.
Für 50.000 Dollar - noch nie hatte man in Hollywood so viel Geld für einen Erstlingsroman ausgegeben - erwarb der junge Unternehmer 1936 die Rechte an dem Überraschungsbestseller von Margaret Mitchell, über den alle anderen Produzenten verächtlich die Nase rümpften.
Die Warnung von MGM-Produktionschef Irving Thalberg vor dem sperrigen Thema war einfach zu präsent: "Noch nie hat ein Film über den Bürgerkrieg auch nur einen Nickel eingespielt", hatte dieser einst gesagt - folgerichtig lehnte MGM beim Mitchell-Stoff dankend ab, lieh aber immerhin Clark Gable als männliche Hauptrolle an Selznick aus. Auch Warner und RKO hatten abgewinkt - unter anderem, weil sie keine Schauspielerin für fähig hielten, die eigensinnige Scarlett zu mimen. Jenes grünäugige Biest, das viel zu spät erkennt, dass sie immer nur Rhett geliebt hat und auch noch zusehen muss, wie ihr geliebter Süden mit seinen Baumwollplantagen und Sklaven im amerikanischen Bürgerkrieg untergeht.
Möchtegern-Scarletts, zu allem bereit
Selznick machte aus der Not einfach eine Tugend: Er nutzte die Suche nach Scarlett zu einer gigantischen PR-Aktion für seinen Film. Nachdem er die Bürger zunächst aufgefordert hatte, per Postkarte Wunschkandidaten zu nennen, jagte der Produzent ab 1937 seine Talentsucher durchs Land. 18 Monate lang tingelten sie durch die Staaten, um Clark Gables Traumpartnerin zu casten, Tag für Tag drängten sich Pulks junger Mädchen auf dem sogenannten "Scarlett-Way" vor Selznicks Büro, zu allen Schandtaten bereit, nur um vorzusprechen.
Eines der Mädchen etwa ließ sich in einer Kiste mit der Aufschrift "Sofort öffnen!" anliefern, rezitierte einen Scarlett-Monolog und riss sich sofort die Kleider vom Leib. Eine andere sprang am Weihnachtstag 1937 im historischen Kostüm aus einer herangekarrten Geschenkbox mit gigantischer Schleife und trällerte "Fröhliche Weihnachten, Mr. Selznick. Ich bin Ihre Scarlett." 1400 Kameratests ließ Selznick durchführen, 92.000 Dollar gab er für sein Casting aus - und stieß mit seiner wählerischen Haltung die gesamte weibliche Schauspielerriege vor den Kopf. Bette Davis? Zu verbraucht. Norma Shearer? Zu alt. Katherine Hepburn? Zu spröde.
Als schließlich die Newcomerin Vivien Leigh die Hauptrolle ergatterte, tobte die schreibende Zunft: Ebenso gut hätte man den chinesischen Generalissimus Chiang Kai-shek verpflichten können, um die Südstaaten-Schönheit zu spielen, ätzte der "Movie Mirror". Was Vivien Leigh nicht davon abhielt, als feurige Scarlett zu brillieren - während ihr männlicher Konterpart während der gesamten Dreharbeiten schmollte. Denn Clark Gable hatte gar keine Lust auf die Rolle des unverschämt grinsenden Gentleman Rhett Butler.
Amphetamine, Erdnüsse und Bananen
"Ein zu großer Brocken" sei das, beschied der Schauspieler und lehnte ab - doch als Söldner von MGM hatte er gar kein Mitspracherecht: Für 7000 Dollar Wochengage lieh ihn seine Produktionsfirma an Selznick aus. Keine günstigen Startbedingungen, zumal Gable den schwulen, in Hollywood als hervorragenden "Frauen-Regisseur" gehandelten George Cukor abgrundtief verabscheute. Seine Rolle konnte Gable nicht mehr abschütteln, den Regisseur jedoch ekelte er vom Set: Schon nach zehn Drehtagen gab Cukor völlig entnervt auf, gerade einmal 23 Minuten hatte er zu dem Zeitpunkt im Kasten.
Auch sein Nachfolger, der aufbrausende Macho Viktor Fleming, hielt nicht lange durch: In der Mitte des Drehs erlitt er einen Nervenzusammenbruch, quälte sich der Strapazen am Set wegen mit Selbstmordgedanken und übergab kurzfristig an Behelfsregisseur Sam Woods. Und nicht einmal der Amphetamine, Bananen und Erdnüsse verschlingende Produzent selbst war immun gegen das menschliche Drama hinter den Kulissen: Nachdem Zweitregisseur Fleming das Drehbuch als "beschissenes Ding" geschmäht hatte, musste ein neues her - erarbeitet unter anderem von Selznick selbst, der nach 72 Stunden langem Feilen an einer neuen Version einen Herzinfarkt erlitt und von Ärzten reanimiert werden musste.
Als die des unmenschlichen Stresses wegen um Jahre gealterte Hauptdarstellerin Vivien Leigh schließlich gegen Ende der Dreharbeiten vor Erschöpfung zusammenbrach, schickte Selznick sie für ein Wochenende zu ihrem Geliebten Laurence Olivier, von wo sie rosig strahlend wieder ans Set zurückkehrte und die letzten Szenen abdrehen konnte.
Es wurde höchste Zeit, am Ende der Dreharbeiten lagen überall die Nerven blank. Die von der Ausbeutung am Set genervten Maskenbildner und andere Hilfskräfte in Selznicks Studio streikten kurz nach dem Abschluss, der völlig verschuldete, übernächtigte Produzent agierte am Rande des Wahnsinns.
Zumal er noch 5000 Dollar für das Wörtchen "damn" berappen musste: Mit den Worten "Frankly, my dear, I don't give a damn" ("Ehrlich gesagt, meine Liebe, ist es mir völlig gleichgültig") lässt Held Rhett seine Scarlett am Ende abblitzen - für die Kino-Zensoren stand "damn" jedoch als zu obszön auf dem Index. Da Selznick jedoch auf der unsterblichen Filmzeile bestand, musste er Strafe zahlen - dafür durfte "damn" drin bleiben.
Menschliches Drama hinter der Leinwandtragödie
Nach quälendem Schnitt-Marathon fand das menschliche Drama hinter der Leinwandtragödie endlich ein Ende. In zum Teil 50 Stunden langen Sitzungen brachen Cutter und Sekretärinnen reihenweise bei dem Versuch zusammen, die insgesamt 150 Kilometer Material zu sichten. Danach war "Vom Winde verweht" jedoch bereit für die Weltpremiere - und sollte sämtliche Rekorde brechen: Bis heute gilt der Streifen, der 1977 vom amerikanischen Filminstitut zum "besten Film aller Zeiten" gekürt wurde, als weltweit erfolgreichstes Kinoereignis - mit einer Einspielsumme von 2,7 Milliarden Dollar.
Um dem bombastischen Premierenereignis am 15. Dezember 1939 in Atlanta Rechnung zu tragen, ließ der Gouverneur von Georgia das Datum kurzerhand zum Feiertag zu erklären. Eine Million Menschen, unter ihnen uniformierte Bürgerkriegsveteranen und Damen in ausladenden Reifröcken, säumten an jenem Tag die Straßen der Südstaatenmetropole, um die defilierenden Filmstars zu begrüßen. Als Clark Gable, der seine Teilnahme an der Premiere bis zuletzt offen gelassen hatte, schließlich aus dem Flugzeug stieg, musste die Militärkapelle ihre Instrumente weglegen und der Staatspolizei von Georgia zur Hilfe eilen, um den Womanizer vor seinen hysterischen Fans zu schützen.
Champagnerkorken knallten, als die nach dem leidvollen Dreh-Marathon heillos verkrachte "Vom Winde verweht"-Crew an jenem Dezembertag vor 70 Jahren in Atlanta noch einmal zusammenkam, um ihren 224-Minüter hochleben zu lassen. Doch das kurze Premierenglück konnte den Fluch, der auf dem Film lag, nicht bannen: Hauptdarstellerin Vivien Leigh wurde depressiv, Autorin Margaret Mitchell, die nie wieder einen Roman schrieb, wurde 1949 von einem Auto überfahren - und Produzent David O. Selznick war durch den gigantischen Erfolg seines Geniestreichs so gehemmt, dass er das Filmemachen schließlich aufgab.
So galt das von Scarlett am Ende optimistisch hervorgestoßene "Morgen ist auch noch ein Tag!" in letzter Konsequenz allein für die MGM - als Verleiherin strich sie den Löwenanteil der gigantischen Einspielergebnisse ein.
Katja Iken / Quelle: www.spiegel.de
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