Dienstag, 6. Januar 2009
Vergessene Filmperlen
Danny Dyer in 'Borstal Boy' (2000)
1940 wird der 16-jährige Brendan Behan (Shawn Hatosy) verhaftet, als er für die IRA Sprengstoff nach Liverpool zu schmuggeln versucht. Dort wird er zu drei Jahren Jugendhaft in der Reformationsschule Borstal verurteilt. Nach anfänglichen Anpassungsschwierigkeiten mit den "englischen Feinden" schließt der störrische junge Mann langsam Freundschaften in der Jugendanstalt, unter anderem zu dem offen schwul lebenden Kleinganoven Charlie Milwall (Danny Dyer). Gleichzeitig lernt er die attraktive Liz (Eva Birthistle) kennen, die Tochter des Schulleiters (Michael York), die ihn auch mit der Literatur von Oscar Wilde bekannt macht ...

"Borstal Boy" beruht auf der Autobiografie des irischen Schriftstellers Brendan Behan, der damit seine Jugenderfahrungen in der Strafanstalt Borstal niederschrieb. Der irische Regisseur Peter Sheridan macht aus der Vorlage einen Coming-of-Age Film, der sowohl die damaligen Verhältnisse wiederspiegelt aber auch die gängigen Facetten des Genres aufzeigt. So ist Rugby der Sport, der das Eis zwischen Brendan und den anderen Jungs bricht. Auch die angedeutete Liebe zur Direktorentochter, die den Jungen positiv beeinflußt, ist fast schon Klischee von Internatsgeschichten. Spannend dagegen ist die wage bleibende Beziehung zum selbstbewussten Matrosen Charlie, die letztendlich nur freundschaftlicher und nie sexueller Natur ist. Trotzdem entwickelt sich diese Freundschaft immer mehr zur wichtiger Triebkraft, die die Handlung voranbringt. Daniel Dyer zeigt in einem seiner frühen Filme bereits seine Können und seine Leinwandpräsenz. Neben Altstar Michael York ist er der bekannteste Name auf der Besetzungsliste (und wird für die englische DVD-Veröffentlichung auf dem Cover zum werbewirksamen Hauptdarsteller). Die eigentliche Überraschung des Films ist jedoch die intensive Darstellung von Shawn Hatosy als Brendan. Er gibt den störrischen Rebellen ebenso überzeugend wie den verschüchterten Jungen, der vor Aufregung schon mal zu Stottern beginnt. So überzeugend seine Darstellung vom letztendlich geläuterten und der Literatur zugewandten Heißsporn auch ist, so weit ist sie aber vermutlich von der Wahrheit entfernt. Der wirkliche Behan wurde nach seiner Entlassung aus Borstal immer wieder verhaftet wegen Aktivitäten für die IRA, aber auch wegen Trunkenheit und Randalierens. Der Alkohol war es auch, der den irischen Schriftsteller bereits mit 41 das Leben kostete. Die Verfilmung seiner insofern subjektiven Autobiografie ist in Deutschland bisher noch nicht erschienen.
Bewertung: 8/10


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Oliver Petszokat in 'Motown' (2003)
"Motown" erzählt die Geschichte von vier Freunden Mitte Zwanzig und spielt zur Weihnachtszeit vom 1. bis zum 24. Dezember. Duke (Nikolas Wackerbarth) kehrt nach einem Jahr in den USA nach Deutschland zurück. Seine besten Freunde Vince (Steffen Groth), Oli (Oliver Petszokat) und Pat (Thorsten Grasshoff) schleppen ihn gleich ins Motown, ihre alte Stammkneipe. Dort ist es fast wie in alten Tagen: Vier Freunde immer in Griffnähe zu einem Bier, immer auf der Suche nach einem One-Night-Stand. Dennoch hat sich einiges verändert: Pat ist nicht nur auf dem Karrieretrip, er schmiedet auch Heiratspläne mit Diaz (Doreen Jacobi). Die hat allerdings keine Lust mehr, jeden Abend allein rumzuhängen, während ihr Freund Pat in der Werbeagentur arbeitet. Und Vince`s Freundin Ria (Anne Brendler) hat die Nase voll, ihn permanent mit seinen Freunden und vor allem mit sämtlichen Zufallsbekanntschaften weiblicher Art zu teilen. Das anstehende Weihnachtsfest wird zur harten Bewährungsprobe für die Freundschaft des Quartetts.

Regisseur Stefan Barth inszeniert mit einem Nichts an Low Budget einen durchaus interessanten Coming-of-Age Film in deutschen Verhältnissen. Dabei ist es weniger die Geschichte mit den typischen Beziehungs-Dramen die überzeugt, sondern vor allem die rotzig frechen Dialoge, die genauso lebendig wie auch witzig sind. Damit sie ihre volle Wirkung erzielen, bedarf es allerdings gute Darsteller und das richtige Timing. Letzeres liegt natürlich vor allem in der Verantwortung des Regisseurs, aber auch die ordentlichen Schauspielleistungen tragen ihr Teil dazu bei, dass das Ensemblestück so gut funktioniert. Allen voran übrigens ausgerechnet das Spiel von Oliver Petszokat, der anfangs den etwas überdrehten Sidekick gibt (eine Rolle die in anderen Filmen gern bei Axel Stein landet), um dann im Laufe der Handlung immer mehr über die prollige Schale hinaus in sein Inneres schauen zu lassen. Sicherlich ist "Motown" nun kein cineastisches Meisterwerk, aber aus den wenigen Mitteln holen alle Beteiligten zumindest ein mehr als ordentliches Beziehungs- und Freundschaftsfilm heraus, wie es nur in Deutschland gedreht werden kann.
Bewertung: 7/10


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