Freitag, 19. Juni 2009
DVD Reloaded
François Ozons 'Sitcom' (1998)
Auf den ersten Blick bilden Vater Jean (François Marthouret), Mutter Hélène (Évelyne Dandry) und die Kinder Sophie (Marina de Van) und Nicolas (Adrien de Van) eine ganz normale, gutbürgerliche französische Familie. Doch als das wortkarge, fast schon gefühlskalte Familienoberhaupt eines Tages einen neuen Mitbewohner in Gestalt einer weißen Ratte mitbringt, gehen plötzlich kuriose Veränderungen in der Familie vor. Der introvertierte Bücherwurm Nicolas erklärt sich aus heiterem Himmel für schwul. Als die Eltern den verständnisvollen Abdu, den Freund des Hausmädchens Maria, spontan bitten, sich um Nicolas zu kümmern, nutzt Abdu (Jules-Emmanuel Eyoum Deido) die Situation, um den Jungen auf der Stelle zu verführen. Sophie wiederum ist von ihrem Freund David (Stéphane Rideau) angewidert, sucht die Nähe der niedlich-geheimnisvollen Ratte - und springt unvermittelt aus dem Fenster. Sie überlebt den Sturz, sitzt aber fortan im Rollstuhl. Der Vater bleibt bei allen Vorgängen weiterhin unbeteiligt und flüchtet sich in scheinbar geistvolle, tatsächlich aber banale Erklärungen. Als die Exzesse der Kinder immer absonderlichere Züge annehmen - Nicolas feiert bizarre Schwulen-Partys in seinem Zimmer, Sophie spielt mit David SM-Spielchen - versucht die Mutter mit letztem Einsatz zu retten, was zu retten ist. Gerade als Mutter und Kinder die Ratte als Auslöser allen Unglücks zu erkennen glauben, eskalieren die Ereignisse ...

Das boshafte Erstlingswerk vom französischen Regisseur François Ozon ("8 Frauen") ist nicht weniger als eine absurde Familien-Saga, in dem eine ganze Menge Gift, Galle und Sperma verspritzt wird, und der gleich noch Themen wie Inzucht, Sodomie, Polygamie und Sadomasochismus verarbeitet. Der konsequent rabenschwarze Film treibt die üblichen Familien-Klischees in voller Boshaftigkeit auf die Spitze und liefert eine surreale Provokation nach der anderen. Dabei scheut Ozon auch nicht davor, das steife Glied vom Männerschwarm Stéphane Rideau ("Sommer wie Winter" - "Full Speed") ins Bild zu rücken (Pornografie!). Zwar weiss man als Zuschauer irgendwann nicht mehr, was er von den irrealen Geschehnissen halten soll, aber genau das macht den Reiz des zynischen Films als Karikatur auf typische Sitcoms auch aus. (Original-Kommentar 04/2000)
Bewertung: 6,5/10


... link (0 Kommentare)   ... comment


Todd Verows
'Vacationland' (2006) & 'Licht und Schatten' (2008)
Vacationland (2006)

Der homosexuelle Schüler Joe (Brad Hallowell) blickt auf eine schwierige Kindheit zurück. Großgeworden in einem Problembezirk seiner Stadt, wurde er als Kind sexuell missbraucht. Nun will er wie seine Schwester Theresa (Hilary Mann) endlich das verhasste Elternhaus verlassen, um mit seinem potentiellen Freund Andrew (Gregory J. Lucas) das Glück zu suchen. Er quartiert sich erst einmal bei dem erkrankten Victor (Charles Ard) ein, um sich von dort in der örtlichen Schwulenszene umzuschauen. Dabei trifft er auf unliebsame Gestalten aus seiner Vergangenheit.

Bei aller Sympathie für das autobiografische Sozialdrama von Independent-Filmer Todd Verow, "Vacationland" ist nichts anderes als Low-Budget, der auch in jeder Hinsicht danach aussieht. Die erste Hälfte des Films zeigt die Hauptfigur Joe, wie er einen Teil seines Lebens nach dem anderen abmarschiert, um sein soziales Umfeld zu präsentieren. Erst zum Ende hin bekommt die allzu banale Geschichte ein paar dramatische Wendungen, die nach den zu erwartenden Klischees für ein wenig Dynamik sorgen (die verprügelte Tunte - der sterbende Alte). Dabei erweist sich Brad Hallowell als durchaus knuffiger, aber wenig glaubhafter Darsteller, der seinen Text mehr aufsagt als schauspielert. Auch die anderen Figuren fallen konsequent durch laienhaftes Spiel auf. Nur Gregory J. Lucas liefert als trinkfester Buddy Andrew eine überzeugende Leistung in einer spröden Inszenierung, die zwar gefällig Sex- und Nacktszenen liefert, aber darüber hinaus durch uninspirierten Handkamera-Einsatz semidokumentarische Langeweile produziert. An der Story kann es nicht liegen, denn den 'Coming-out im sozialen Brennpunkt'-Plot hat es schon in wesendlich intensiveren und spannenderen Varianten gegeben.
Bewertung: 2,5/10




Licht und Schatten (2008)

Joe (Tim Swain) hat es auf ein College in New England geschafft, um Kunst zu studieren. Das Geld ist knapp, die Ansprüche der Lehrer hoch und er hat keine reichen Eltern wie die meisten seiner Mitstudenten. Doch Joe ist glücklich - seine ersten künstlerischen Versuche fallen auf, sein Look wird immer cooler und von seinem ersten One-Night-Stand kriegt er als erstes eine hippe Punk-Frisur verpasst. Mit seiner durchgeknallten besten Freundin Jennifer (Julia Frey) bildet er die Außenseitergruppe unter den Studenten. Eines Nachts trifft er auf den geheimnisvollen Stricher Ramon (Gil Bar-Sela), in den er sich verliebt, der sich ihm aber immer wieder entzieht.

Auf den ersten Blick wirkt "Between Something & Nothing" wie eine Fortsetzung von "Vacationland", was aber insofern nicht sein kann, da Joe dieses Mal von Tim Swain gespielt wird, während Brad Hallowell eine Nebenrolle als John spielt. Darüber hinaus gibt auch dieser Film von Todd Verow, offensichtlich Kultfigur des Queer Cinema, künstlerisch nicht viel her. Zwar ist die Inszenierung im Rahmen seiner Möglichkeiten durchaus stilsicherer, auch die Darsteller liefern insgesamt eine bessere Leistung als im Vorgänger, trotzdem überzeugt der Film nicht wirklich. Verow schiebt seine Figuren im semidokumentarischen Stil (und mit Handkamera abgefilmt) durch die Szenen, hat aber nicht wirklich eine Geschichte zu erzählen. Auf eigenen Erfahrungen basierend reiht der Regisseur in dem Film lediglich diverse Studentenerlebnisse zwischen Punk, Strich und Selbstfindung aneinander, ohne dass die Handlung auf irgendetwas hinausläuft. Das macht den spröden Film vielleicht zu einer höhepunktfreien Selbsterfahrung, auf die man als Zuschauer aber durchaus verzichten kann.
Bewertung: 3,5/10


... link (0 Kommentare)   ... comment


11 Men Out (2005)
Ottar (Björn Hlynur Haraldsson), Vater von einem Sohn und in Scheidung von Miss Island lebend, ist der Star der isländischen Fußballmannschaft KRC Reykjavik. Nachdem er sich als schwul outet, wird er Stadtgespräch, löst eine Reihe Konflikte aus und fliegt aus seiner Mannschaft. Seine Ex Gugga (Lilja Nóttthórarinsdóttir) greift zum Alkohol, der Sohn Magnus (Arnmundur Ernst) flüchtet in "Counterstrike"-Meetings, der Bruder würde ihn am liebsten vermöbeln und der Vater, Coach und Präsident der Mannschaft, wird verspottet. Ottar hingegen wird Star einer schwulen Amateurmannschaft, die es nach oben schafft. Am Tag der Gay-Pride-Parade wird er wieder auf seine alte Mannschaft treffen - nun als Stürmer des „Pride United Reykjavík“.

Laut Statistik müsste in jeder Mannschaft mindestens ein Schwuler zu finden sein, trotzdem ist Homosexualität im Fussball das vielleicht letzte große Tabu ("Wir sind aufgefordert gegen jegliche Bestrebungen ... vorzugehen!" Trainer Christoph Daum). Das sollte Grund genug sein, mit den Vorurteilen aufzuräumen, wie es die deutsche Klamotte "Männer wie wir" 2004 durchaus sympatisch vorgemacht hat. "11 Men Out" ist die isländische Variante desselben Stoffes, bleibt aber weit hinter der deutsche Vorlage zurück. Die Story ist erschreckend flach, die Darsteller agieren äußerst hölzern und einzelne Szenen sind einfach nur ohne Sinn geschwätzig. Regisseur Róbert I. Douglas rollt lustlos die üblichen Schwulen-Klischees ab, ohne jedoch wirklich Witz in die Geschichte zu bekommen. Am Schlimmsten allerdings sind die - zumindest in der deutschen Synchronisation - ganz grausamen Dialoge. Tatsächlich wirken die Aufnahmen der Gay-Parade noch am realsten - die sind auch direkt beim isländischen CSD mitgeschnitten.
Bewertung: 1,5/10 (Moviepilot Prognose 6,4)


... link (0 Kommentare)   ... comment